Doch nicht so modern? Das Berliner Shell-Haus von Emil Fahrenkamp in der Kritik

Von Claudia Simone Hoff




[Fotos: C. Hoff]

Am 14. Juni 2007 fand im Shell-Haus am Reichpietschufer 60 in Berlin auf Einladung des jovis Verlags und der Gasag AG eine Veranstaltung über den Architekten Emil Fahrenkamp statt. Grund war die Vorstellung einer Publikation über den Architekten von Brigitte Jacob, die aus einer Dissertation hervorgegangen ist: Emil Fahrenkamp. Bauten und Projekte für Berlin. An der Gesprächsrunde nahmen Brigitte Jacob (Autorin), Wolfgang Schäche (Architekturhistoriker), Franziska Bollerey (Architektur- und Stadtbauhistorikerin), Oliver G. Hamm (freier Autor und Kurator) und Jan Kleihues (Architekt) teil. In Kurzreferaten wurden verschiedene Fragestellungen in Bezug auf den Architekten und sein Werk erörtert.

Kontrovers diskutiert wurde die Tatsache, dass das 1932 fertiggestellte Shell-Haus, in der Architekturgeschichte als "Ikone" der Moderne behandelt, eine Ausnahme im Werk des Architekten darstellt. Dies führte im Publikum zu der Vermutung, dass das Gebäude deshalb vielleicht einem Mitarbeiter Fahrenkamps zuzuschreiben sei, was von der Autorin allerdings verneint wurde, denn alle Vorzeichnungen seien vom Architekten selbst unterzeichnet. Außerdem sei der Bau ein Beispiel für die Anpassungsfähigkeit des Architekten an die äußeren (Bau-)Umstände, wozu sie beispielsweise das schwierig gelegene Grundstück zählt. Interessant war, dass Jacob dem Shell-Haus seine Ikonen-Funktion abspricht. Für Jacob spielt das Kathreinerhaus von Bruno Paul am Kleistpark oder das zerstörte Columbus-Haus von Erich Mendelsohn am Potsdamer Platz eine weitaus wichtigere Rolle in der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Und auch der Architekt selbst scheint seinen eigenen Bau nicht sonderlich gemocht zu haben: So kolportierte Jacob, dass er nichts gegen einen Abriss des Gebäudes einzuwenden gehabt hätte. Überhaupt wünscht sich Jacob von der heutigen Architektur-schreibung eine größere Reflektion über die Architekturgeschichte, besonders in Hinblick auf die Mythologisierung einiger Bauten und Architekten der 1920er Jahre.

Der Berliner Architekt Jan Kleihues vom Architekturbüro kleihues + kleihues erörterte in seinem Vortrag den Bau des Maritim-Hotels direkt neben dem Shell-Haus in der Stauffenberg-straße. Wurde das Grundstück vor dem Bau des Hotels von zwei in den 1960er Jahren entstandenen Hochhäusern von Paul Baumgarten beherrscht, die im Jahr 2000 abgerissen wurden, so erstreckt sich der riesige Hotelbau (12.000 qm Geschossfläche) nun vor allem horizontal, auch wenn ein vertikaler Turm Akzente setzt. Bei der Errichtung des Hotels musste nicht nur der markante Bau des Shell-Hauses in die Planungen einbezogen werden, sondern auch der Wunsch des Bauherrn nach zwei großen Ballsälen sowie ein naturgeschützter Baum im Eingangsbereich des Hotels. Rücksprünge und Staffelungen sowie römischer Travertin als Fassadenverkleidung charakterisieren den Bau, der einige Details des Shell-Hauses aufnimmt. So treffen beispielsweise eckige auf eckige und abgerundete auf abgerundete Kanten und auch das Material beider Gebäude korrespondiert miteinander.

Während der Veranstaltung am historischen Ort blieben auch andere Problemfelder nicht unerwähnt: Fahrenkamp und seine Rolle während des Nationalsozialismus, in der er zur sogenannten "zweiten Riege" der Architekten gehörte, die vom Reichsbauminister Albert Speer mit Aufträgen bedacht wurden, oder die Problematik der Rekonstruktion von denkmalge-schützten Gebäuden, wobei zeitweise recht hitzig diskutiert wurde. Die Diskussion hat Fragen aufgeworfen, die es wert sind weiter untersucht zu werden, besonders hinblicklich unserer Beurteilung von Gebäuden, die gemeinhin als Architektur-"Ikonen" gelten.

Das Buch (broschiert) von Brigitte Jacob kostet 29,80 EUR und ist 2007 im jovis Verlag erschienen. ISBN 3-939633-31-3.

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Kommentare

Anonym hat gesagt…
Veranstaltung hört sich interessant an. Schade, ich war nicht dabei ...