Reisetipp: Klassiker der modernen Architektur in Berlin entdecken

Auf dem Weg vom U-Bahnhof Krumme Lanke zum Haus Perls von Mies van der Rohe

Von Claudia Simone Hoff

Auf dem Weg zum Haus Perls des Architekten Ludwig Mies van der Rohe begegnen uns mehrere interessante architektonische Objekte. Die günstigste Verkehrsanbindung ist die U-Bahn-Linie 2 Richtung Krumme Lanke. Im 1929 vom schwedischen Architekten Alfred Grenander errichteten, funktional und sachlich gestalteten U-Bahnhof Krumme Lanke steigt man in Fahrtrichtung aus. Grenander entwarf zahlreiche Berliner U-Bahn-Bauten, so beispielsweise auch den Wittenberg- und Nollendorfplatz. Der U-Bahnhof Krumme Lanke ist allerdings nicht mehr im Originalzustand erhalten, sondern wurde nach Abriss 1988 von Rupert Stuhlemmer nach dem Grenander-Entwurf wieder errichtet.

Das Gebiet um den Schlachtensee und die Krumme Lanke liegt in einer landschaftlich besonders reizvollen Lage in einem ausgedehnten Wald- und Seengebiet, ein bevorzugtes Motiv der Berliner Maler um die Jahrhundertwende. Es gehört neben der Villenkolonie Alsen am Wannsee und der Villenkolonie im Grunewald zu den Villenkolonien, die vor der Jahrhundertwende um Berlin entstanden und seit 1920 in die Stadt eingemeindet sind. Zu Wohlstand gekommene Unternehmer, Künstler, Wissenschaftler und Politiker ließen sich von teils berühmten Architekten Villen in allen möglichen, teils historistischen Stilen, aber auch in moderner Weise errichten. Die Bauherren dieser Villen besaßen oftmals auch bedeutende Kunstsammlungen, wovon die meisten allerdings im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, verschollen sind oder den Besitzer wechselten. Allerdings verschwanden nicht nur die Kunstsammlungen, sondern auch das damit verbundene Gesellschaftsgefüge und auch viele der herrschaftlichen Villen. Ein Beispiel solch eines Hauses, das eine bedeutetende Kunstsammlung beherbergte, ist allerdings erhalten: das bereits erwähnte Haus Perls von Mies van der Rohe, das wir auf diesem Rundgang betrachten werden.

Biegt man vom U-Bahnhof Krumme Lanke rechts in den Fischerhüttenweg ein, so trifft man auf der linken Seite (Nr. 106) auf das Haus Lewin des Bauhaus-Gründers und Architekten Walter Gropius, das Ende der 1920er Jahre erbaut wurde. Der kubisch gestaltete, ineinander verschachtelte Baukörper lässt Ähnlichkeiten der einige Jahre ebenfalls von Gropius geplanten Bauhaus-Meisterhäuser von Dessau erkennen: Flächigkeit, Flachdach, asymmetrisch angesetzte Fenster und Türen sind als architektonisches Grundprinzip zu erkennen.

Der Fischerhüttenweg, der von der AVUS überfahren wird und bis zu den Seen Fischerhüttenstraße heißt, erhielt seinen Namen etwa um das Jahr 1930. Es ist überliefert, dass 1723 am Schlachtensee für die Fischer eine Hütte gebaut wurde, die später als Lokal genutzt wurde. Und auch heute kann man dort noch einkehren und den schönen Blick auf den Schlachtensee genießen.

Wir folgen dem Weg Richtung den Seen Krumme Lanke und Schlachtensee fast bis zum Ende des Fischerhüttenwegs vor Beginn der Seenlandschaft und biegen dann rechts ab. Im Quermatenweg 2/4 liegt das 1913 von Ludwig Mies van der Rohe entworfene Haus Werner. Es beherbergt heute eine Schule für behinderte Kinder. Der Ingenieur Ernst Werner ließ das mit einem Mansarddach versehene, auf den Garten ausgerichtete Landhaus in Auftrag geben.

Nach einer weiteren Rechtsbiegung treffen wir auf die Hermannstraße 14: Das 1911 entstandene Haus Perls ist eines der Frühwerke des damals erst 24-jährigen Architekten Ludwig Mies van der Rohe und sein zweites von insgesamt 16 verwirklichten Wohnhäusern. Das Grundstück grenzt unmittelbar an das Haus Werner an, das wir bereits besichtigt haben. Der Grundriss des Hauses ist um eine Achse herum ausgerichtet, der Baukörper klassizistisch gegliedert. Der Backsteinbau ist mit einem Ockerton verputzt. Eduard Fuchs, Kunsthistoriker und bedeutender Kunstsammler (er nannte u. a. Werke von Picasso, Matisse und Munch sein eigen), kaufte die Villa 1920 vom Vorbesitzer und Namensgeber des Hauses ab. Der Rechtsanwalt Hugo Perls erhielt für das Haus vom Käufer Fuchs aber kein Geld, sondern ließ sich mit fünf Liebermann-Gemälden bezahlen. 1928 versah Mies van der Rohe das Haus mit einem Anbau, der die angewachsene Kunstsammlung aufnehmen sollte. Das Haus zeigt Stilmerkmale des Haus Wiegand von Peter Behrens und dies ist sicherlich kein Zufall, denn Mies van der Rohe war im Büro des AEG-Hausarchitekten Behrens beschäftigt. Beide Architekten dürften auch Bauten Karl Friedrich Schinkels zum Vorbild genommen haben. Mies van der Rohe übernahm sowohl die Außen- als auch die Innenausstattung des Hauses. Das Esszimmer wurde vom Brücke-Mitglied Max Pechstein mit einer Darstellung von Frauenakten in einer Berglandschaft ausgestaltet. Hier kommt deutlich der großbürgerliche Lebensstil mit intellektuellen Anstrich zum Tragen: man wollte nicht nur ein angemessenes Haus zum Wohnen, sondern ließ es sich gleichzeitig von angesehenen Künstlern ausstatten.

Wir können den Spaziergang noch beliebig erweitern, denn in dieser Gegend reiht sich ein interessantes Gebäude an das andere. Überquert man die Fischerhüttenstraße und geht in die Klopstockstraße, kommt man in den Schlickweg. Ganz in der Nähe von Haus Perls liegt in der Nr. 12 das Haus de Burlet von Hermann Muthesius, ein gelungener Landhausbau. Es wurde wie Haus Perls 1911 erbaut. An diesem Bau lässt sich Muthesius’ architektonisches Credo „Häuser werden zum Wohnen gebaut und nicht zum Anschauen“ hervorragend nachvollziehen.

Je nachdem, wie lange man vor den vorgestellten Häusern verweilt, was man unterwegs noch entdeckt, ob man die Seen einmal zu Fuß umrundet und vielleicht noch irgendwo einkehrt, dauert dieser Spaziergang von ungefähr einer bis drei Stunden und lässt den Besucher neben den landschaftlichen Schönheiten die großbürgerliche Lebensweise um die Jahrhundertwende entdecken.

Kommentare