Unsterblich schön

Charles und Ray Eames sind beliebt. Deshalb stehen sie in fast jedem Wohnzimmer. Nicht Charles und Ray persönlich. Ihre Sessel, ihre Stühle, ihre Beistelltische. Die sind inzwischen so oft zu sehen, dass man sie irgendwie nicht mehr sehen kann. In Zeitschriften von Hamburg bis Honolulu. In Lofts, Fachwerkhäusern oder Doppelhaushälften. Egal ob echt oder gefälscht. Wer etwas auf sich hält und auch bei der Einrichtung mithalten will, kommt um die beiden eben nicht herum. Was das iPhone für das Ohr, ist ihr Lounge Chair für den Po. Denn den wollen alle am liebsten haben. Nicht wegen des Sitzkomforts. Und auch nicht, weil er so schön aussieht. Nein, der Lounge Chair ist das einzige Ding von Charles und Ray Eames, mit dem man sich wenigstens noch ein wenig abheben kann. Einfach deshalb, weil er zu teuer ist, um in jedem x-beliebigen Wohnzimmer zu stehen. In den Etagenwohnungen von Mendrisio bis Winterthur tummeln sich stattdessen: ein niedriger Beistelltisch, den es auch mit goldener Ablageplatte gibt. Ein Stuhl mit kunterbunter Kunststoffschale, die auf Holz, Metall oder Kufen sitzt. Eine Garderobe mit weißem Metallgestänge und gelben, roten und grünen Aufhängekugeln. Schnell weg damit ins Kinderzimmer möchte man sagen, bleibt doch lieber still und zerbeult sich stattdessen das teure Jil-Sander-Jackett. Da können doch Charles und Ray nichts dafür? Stimmt. Die hatten so gute Ideen wie sie heute anscheinend niemand mehr hat. Denn wie ließe es sich sonst erklären, dass überall dieselben Möbel stehen? Wenn es übrigens nicht die Amerikaner sind, dann liegen die Finnen und Dänen ganz weit vorn im Design-Einerlei. Alvar Aalto, Arne Jacobsen, Eero Saarinen. Da erstaunt es nicht weiter, dass auch die schon etwas älter sind. Stand doch bereits bei den Gebrüder Grimm geschrieben: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Claudia Simone Hoff