Supermarket of the Dead [Dresden]
Brandopfer in China und der Kult des globalisierten Konsums.
Proposition III.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Residenzschloss
14. März bis 10. Mai 2015
Eine der ältesten Formen chinesischen
Volksglaubens erweist sich als lebendiger Brauch, der überall in der
Kultur Chinas praktiziert wird: Brandopfer papierener Nachbildungen von
Geld und Gütern, die mit dem Verbrennen Ahnen, Göttern und Geistern
übergeben werden, um sie günstig zu stimmen oder ihre Nöte zu lindern,
denn die chinesische Jenseitsvorstellung verbürgt eine Spiegelung der
wirklichen Welt und die Geister der verstorbenen Verwandten sind als
empfindungsfähige gedacht.
Diese Papiermodelle haben sich jüngst
von der Nachahmung traditioneller Erzeugnisse zu Abbildungen des
westlichen Warenhauses gewandelt, denn man will den Angehörigen in der
Nachwelt eben jene Güter zukommen lassen, die man selbst begehrt. So
entstand eine Gegenwelt aus Papier, in der heute fast alle
globalisierten Fetische des Markenkonsums, Gucci-Taschen, Prada-Schuhe,
Louis Vuitton-Koffer, Chanel-Accessoires, Mobiltelephone,
Apple-Computer, aber auch Heineken-Bierdosen und lebensgroße Autos dem
Feuer übergeben werden, um sie den Vorfahren zu widmen.
Ein
Supermarket of the Dead in der Festetage des Dresdner Residenzschlosses
zeigt diesen gleichermaßen vertrauten wie verfremdeten Warenberg. Sein
Anblick gewährt wesentliche Einsichten: Man erkennt die mit dem totalen
Weltmarkt erreichte weltweite Verbindlichkeit der westlichen Verehrung
von Markennamen und Luxusgütern. Man sieht, wie schnell sich die
chinesische Gesellschaft an einer globalen Ordnung der Bedürfnisse
ausgerichtet hat und sie zugleich mit einem mindestens 1300 Jahre alten
Ritual verknüpft. Und man wird hingewiesen auf den quasi-sakralen
Fetischismus im eigenen Konsum namhafter Markenprodukte, deren Nutzen
nicht im Gebrauch, sondern in der ideellen Teilhabe an einem System von
Bedeutung besteht – einem magischen Verhältnis also. Brandopfer und
Markengeltung eint die Logik der Repräsentationsmagie, in der man der
Befriedigung seiner Bedürfnisse nur mehr stellvertretend im Bild genügt. [Text: Museum]
www.skd.museum