Zur Architekturgeschichte Chicagos

Einführung in die Stadt- und Architekturgeschichte
von Claudia Simone Hoff

Im Folgenden sollen die Hauptaspekte der Architekturentwicklung Chicagos zusammengefasst werden, wobei geschichtliche Daten nur angeführt werden, wenn sie eine besondere Bedeutung für die Stadt oder die Architekturentwicklung hatten.
In erster Linie soll erklärt werden, warum gerade in Chicago das moderne Hochhaus entstand und welche Voraussetzungen dazu notwendig waren. Inhaltlich wird besonders auf Themen und Bauten eingegangen, die während der Reise angesprochen oder besichtigt werden. Zu den nachfolgenden Erläuterungen werden im Rundgang teilweise Querverweise gezogen.

Etwa 1000 v. Chr. bis zur Zeitenwende herrschte im Gebiet der Großen Seen die Woodland-Indianerkultur vor. Die Indianer bezeichneten das Gebiet als Che-ca-gou ("Ort der wilden Zwiebel").


1673 kamen der französische Entdecker Louis Jolliet und der Missionar Jacques Marquette als erste Weiße in das Gebiet des heutigen Chicago. Jean Baptiste Point du Sable hielt sich 1779-81 als erster nicht indianischer Siedler auf dem Gebiet des späteren Chicago auf.

1818 wurde der Staat Illinois gegründet, zwölf Jahre später, 1830, ein Kanal von den Seen zum Mississippi gebaut, der die Stadt schnell wachsen ließ. 1865 errichtete man die berühmt-berüchtigten Schlachthöfe (Union Stock Yards), die bis 1971 existierten. 1848 wurde der Illinois-Michigan-Kanal für den Verkehr freigegeben und Chicago bekam seine erste Eisenbahnlinie. Gegen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-65), der zu einer starken industriellen Expansion führte, verband man die Schlachthöfe der Gegend um Chicago durch neun verschiedene Eisenbahnlinien miteinander. Dadurch wurde die 1833 gegründete Stadt am Lake Michigan für ein Jahrhundert zum weltwichtigsten Zentrum der fleischverarbeitenden Industrie.

Chicago entwickelte sich in nur 50 Jahren von einem befestigten Dorf bei Fort Dearborn des Jahres 1803 zu einer Stadt, die zum Handels- und Transportzentrum wuchs, was sich auch im starken Anwachsen der Bevölkerung spiegelte. Durch die Eisenbahn gelangten viele Arbeitskräfte in die Stadt, auch die ersten professionellen Architekten von der amerikanischen Ostküste (der erste war 1837 John M. Van Osdel). Die Eisenbahn war auch Bedingung dafür, dass die Materialien, die zum Hochhausbau benötigt wurden, in die Stadt transportiert werden konnten. Da die Stadt in den 1830er Jahren sehr schnell gewachsen war, mussten Häuser in kurzer Zeit errichtet werden. Mit der Balloon-Frame-Konstruktion, einem "Holzkäfig" aus Stützen und Latten mit industriell gefertigten Nägeln, war man diesem Problem gewachsen.

Durch die Erschließung des großen Hinterlands vollzog sich eine Umwandlung des Ackerbaus vom bäuerlichen zum industriellen Produktionsbetrieb. Chicago wurde zum größten Getreidezentrum der Welt. Neben dem Getreide- und Viehhandel gab es außerdem Werkzeugfabriken, Brauereien, Lager von Kupfer- und Eisenerz sowie Braunkohlefelder. Die Wirtschaft der Stadt florierte ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Zur Entwicklung des Hochhauses in Chicago trug auch die Tatsache bei, dass sich finanzstarke Großbetriebe wie McCormick, Marshall Field, Montgomery Ward oder Sears Roebuck in der Stadt niederließen. Sie gehörten zu den Hauptauftraggebern der Hochhäuser, die meistens Mischfunktionen in Form von Büros, Kaufhäusern und Wohnungen innehatten. Nach den Wünschen der Auftraggeber sollten die Chicagoer Architekten praktisch, zeitgemäß und kostensparend bauen. Die wachsende Komplexität der modernen Industrie verlangte konzentrierte, administrative Zentren, was eine Zentralisierung des Geschäftsprozesses mit sich brachte. Deshalb ist eine steigende Intensität der Landnutzung, verbunden mit erhöhten Grundstückspreisen in Chicago (nach dem Brand 1871), zu verzeichnen. In Chicago ist die Entwicklung des Hochhauses besonders eng mit dem Büro- und Warenhaus verknüpft.

1855/56 vollbrachte man in der Stadt eine technische Glanzleistung: Aufgrund der mangelnden Drainage des Bodens ließ man Häuser und Straßen anhand einer Hebebühne anheben, so dass im entstanden Zwischenraum die vorgeschriebenen Abflussinstallationen verlegt werden konnten. Teilweise wurden ganze Häuser von ihrem ursprünglichen Standort verschoben. Außerdem versetzte man Holzhäuser an den Stadtrand, um Platz für Steinhäuser zu schaffen.

Für die (Architektur-)Geschichte der Stadt bestimmend wurde der große Brand im Oktober 1871, der neben Personenverlusten auch ein Drittel des Baubestands der Stadt (besonders im Gebiet des Loops) vernichtete. Zur Zeit des Feuers hatte sich Chicago seine Stellung als wichtigste Stadt des Westens gesichert und St. Louis als Verkehrsknotenpunkt abgelöst. Das darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es eklatante soziale Widersprüche in der Stadt gab. Der Wiederaufbau nach dem Feuer verlief sehr schnell. Schon einen Monat nach der Katastrophe waren bereits 5.000 Häuser fertiggestellt oder noch im Bau. Die Grundstückspreise stiegen enorm an.

Wichtig für das Erscheinungsbild der Chicagoer Architektur ist die Tatsache, dass es eine Bodenparzellierung in Form eines Schachbrettmusters (das sogenannte grid system) gibt, das ein leicht überschaubares, orthogonales Orientierungsmuster regelmäßiger Blöcke und Planquadrate bildet. Dadurch bedingt war der Bedeutungszuwachs der Fassadengestaltung. Andere Mittel zur Prestigeerhöhung des Gebäudes waren (und sind) die Größe des Baublocks und die Höhe des Gebäudes. Im Unterschied zu New York gab es in Chicago Bauvorschriften, sogenannte Zonings, die die Höhe der Gebäude eingrenzte. Ohne die Erfindung des Eisenskelettrahmens, des Fahrstuhls, des feuerbeständigen Hohlziegels, bestimmter Fundamente und anderer technischer Neuerungen wäre die Entwicklung des modernen Hochhauses nicht möglich gewesen.

Zwar hat Chicago großen Anteil an dieser Entwicklung, aber die wichtigsten technischen Innovationen wurden in anderen Städten bzw. Ländern gemacht. Die Ursprünge des Eisenskelettbaus sind in der Entwicklung des Gusseisens in der Architektur zu suchen. Sie fand hauptsächlich in England und Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Schon der zur Weltausstellung 1851 in London errichtete Kristallpalast von Joseph Paxton zeigte die Rationalisierung des Entwurfsprozesses mit den vorfabrizierten Teilen wie gegossene dünne Gusseisensäulen, Holzrahmen, Druckglasplatten und Rinnen für das Dach. Es war der erste große Bau aus Glas, Eisen und Holz mit einem präzise zusammengeschraubten Skelett aus Guss- und Schmiedeeisen. Der erste Eisenskelettbau, der das gesamte Gewicht eines Baus trug, war die Schokoladenfabrik von Jules Saulnier in Noisiel-sur-Marne bei Paris in den Jahren 1871/72. Vorher hatte man meist die Front eines Hauses mit gusseisernen Stützen ausgestattet, um eine maximale Lichtzufuhr durch die Fenster sicherzustellen. Bereits vor dem großen Brand in Chicago 1871 existierten solche gusseisernen Frontfassaden, die den Vorläufer der Skelettkonstruktion bilden, in der Stadt.

Das grundsätzlich Neue der Metallskelettkonstruktion, anfangs eine Mischung aus Eisen und Stahl, bestand darin, dass das Prinzip von Stütze und Last zugunsten eines Rahmens aufgegeben wurde, der aufgrund der besonderen Kräftebahnen die Fassade von der tragenden Funktion unabhängig machte. Das hatte den Vorteil, dass es keine sehr dicken Mauern mehr gab und man die Möglichkeit hatte, große Fenster einzubauen, was zur Entwicklung des dreiteiligen Chicago window führte, das in Chicago oft in Zusammenhang mit Erkern Verwendung fand. Auch im Inneren der Geschosse konnte man nun frei über die Geschossflächen verfügen, weil keine platzraubenden Stützmauern mehr notwendig waren. Außerdem war ein Metallrahmen schneller zu errichten als ein Mauerwerksbau. Im kommerziellen Büro- und Warenhausbau sollten sich diese Vorteile schnell durchsetzen. Wie wir noch sehen werden, gab es in Chicago anfangs aber auch noch Mischformen mit selbsttragenden Mauern und Metallskelett. Es war außerdem möglich, ein Gebäude mit selbsttragenden Mauern zu errichten, diese aber in ihrer Dicke zu reduzieren, indem man gusseiserne Säulen zur Verstärkung der Stützkraft in das Mauerwerk integrierte.Ohne die Erfindung des Fahrstuhls durch den New Yorker Ingenieur Otis wäre der Bau von mehr als sechsstöckigen Häusern gar nicht möglich gewesen. Er sorgte dafür, dass man die oberen Stockwerke schnell erreichen konnte und diese eine Wandlung von den billigsten zu den teuersten Etagen durchmachten. Der erste Fahrstuhl wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in ein New Yorker Hochhaus eingebaut. Parallel zur Entwicklung des Fahrstuhls fand die Entwicklung von feuersicheren Ummantelungen des Metallskeletts aus Ziegelstein statt, die verhinderten, dass der Metallrahmen bei einem Feuer schmolz. Auch haustechnische Neuerungen wie ein zentrales Heizungs-, Wasser- und Abwassersystem, Elektrizität, Klimaanlagen sowie ein Telefonnetz waren von großer Bedeutung für die Entstehung des Hochhauses.

Zwischen 1880 und 1890 hatte sich der sogenannte commercial style in Chicago durchgesetzt. Die Skelettkonstruktion eignete sich besonders für die Geschäftsbauten, an die Anforderungen wie Haltbarkeit, Feuerfestigkeit, Ökonomie und schnelle Errichtung der Konstruktion, maximaler natürlicher Lichteinfall und eine offene, flexible Innenraumfläche gestellt wurden. Die sogenannte Chicago School, zu der berühmte Architekten wie Dankmar Adler, Louis Henry Sullivan, William Le Baron Jenney u. a. zu zählen sind, bildet den Anfang der modernen Architektur. Bauten dieser innovativen Architekten prägen noch heute das Stadtbild Chicagos und beeinflussten darauffolgende Architekten-generationen.

Henry Hobson Richardson (1838-1886) war einer der bedeutensten Architekten in Chicago, der großen Einfluss auf John Wellborn Root und Louis Sullivan ausübte. Stilmerkmale seiner Architektur sind vor allem der fast roh belassene Stein, die Verwendung von Rundbögen, relativ kleine Fenster und die Unterordnung des Ornaments. Von seinen Bauten geht eine massive, wuchtige Wirkung aus. Seine berühmtesten, inzwischen zerstörten Bauten in Chicago waren das Franklin Mac Veagh House und das Marshall-Fields-Engros-Warenhaus. 1885-1887 baute er im jetzigen Prairie Avenue Historic District das J. J. Glessner House, das in Chicago einzig erhaltene Gebäude des Architekten und Wohnhaus des Industriellen Glessner. Bis zum Ersten Weltkrieg war diese Gegend ein luxuriöses Wohnviertel. Auch dieser Bau gibt die Eigenheiten der Architektur Richardsons wider: Bossierte Granitquader, Rundbögen, relativ kleine Fenster, teils mit Säulen versehen. Weniger repräsentativ gestaltet war die Hofseite des Hauses mit einfachen Klinkern. Der innovative Grundriss teilte die Räume hinsichtlich ihrer Funktion auf. Die Inneneinrichtung orientierte sich an der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung.

1880-1890 entwarf der etablierte und vielseitige Architekt des Fine Arts Building (vgl. Rundgang) Solon Spencer Beman (1853-1914)
für den Industriellen George M. Pullman (Pullman Palace Car Company) die Eisenbahnfabrik und Modellstadt Pullman im Süden der City. Die Lage am Rand der Stadt in ländlicher Umgebung sollte ideale Arbeits- und Lebensbedingungen für die Fabrikarbeiter schaffen, natürlich ganz im Interesse des Unternehmers Pullman. Zu ihrer Entstehungszeit zählte die Planstadt rund 8.000 Einwohner. Beman entwarf und führte fast sämtliche Aufträge Pullmans aus, so beispielsweise auch die Innengestaltung der Eisenbahnwaggons.

In der Modellstadt fanden sich alle zum Leben notwendigen Einrichtungen: Öffentliche und private Bauten sowie Fabrikgebäude. Bei Pullman handelt es sich um eine geometrische Anlage, die durch öffentliche Plätze, Gärten und Parks aufgelockert wird. Es gibt Wohn-, Industrie- und Erholungsgebiete. Vorherrschendes Material ist der rote Backstein, einheitlicher Architekturstil der Queen-Anne-Stil. Auf dem Gelände finden wir ehemalige Verwaltungsgebäude, repräsentative Wohnhäuser, ein Krankenhaus, eine Kirche, Schulen, ein Theater, einen monumentalen Wasserturm, Pferdeställe und eine Markthalle. Die Arbeiter waren, je nach Position in der Fabrik, in verschieden großen und ausgestatteten Wohnhäusern (insgesamt 1.300) untergebracht. Beman folgte mit diesem städtebaulichen Entwurf den Prinzipien der City-Beautiful-Bewegung, die die Betonung von Parks, Boulevards und Gemeinschaftseinrichtungen vorsah. Zum Ausdruck kam diese auch in der Weltausstellung und im Chicago-Plan von 1909. 1894 war das Jahr des Pullman-Streiks, denn wegen der Depression von 1893 waren viele Arbeiter arbeitslos oder wurden schlecht bezahlt. Der Streik brach zusammen, als der uneinsichtige Pullman mithilfe von Regierungstruppen einige Arbeiter erschießen ließ. 1907 sind das Fabrikgelände an die Stadt Pullman, die Häuser an Privatleute verkauft worden. Die Pullman-Fabrik schloss 1958.

Ein großes Architekturmodell der Stadt Pullman wurde auf der Weltausstellung 1893 in Chicago in Sullivans Transportation Building ausgestellt. Die "World's Columbian Exhibition" markierte ersteinmal den Endpunkt der Avantgarde-Architektur in Chicago. Die von John Wellborn Root und Daniel Burnham geplante Weltausstellung fand von Mai bis Oktober im Süden der Stadt (in Seenähe im Jackson Park) statt und zog mehr als 27 Millionen Besucher an. Die "White City" war als Idealstadt angelegt und gilt als ein Beispiel der City-Beautiful-Bewegung. Betont wurde die städtebauliche Perspektive entlang der Straßenflucht, einer mit der Landschaft eng verbundenen Architektur mit aufeinander abgestimmten Dachgesimsen.

Das Zentrum der künstlichen Stadt bestand aus einem Ehrenhof, um den herum Gebäude mit derselben Höhe (60 Fuß = ca. 18 m) angelegt waren. Gleichförmigkeit wurde nicht nur durch die Gebäudehöhe erzielt, sondern auch durch die Architektur selbst. Die Eisen-Glas-Konstruktionen der Gebäude waren hinter weiß verputzten Fassaden versteckt. Fast durchweg handelte es sich um Repräsentationsbauten in klassizistischer Formensprache. Dahinter verbarg sich eine radikale Funktionalismuskritik. Die Planer der Ausstellung entlehnten ihren Schönheitsbegriff der französischen Académie des Beaux Arts (vgl. Oper von Garnier in Paris). Gebäude wie das Art Institute und das heutige Museum of Science and Industry (früher Fine Arts Building)
verdanken der Weltausstellung ihre Existenz. Nur Sullivans und Adlers Transportation Building, das Ausstellungsgebäude des Verkehrswesens, fiel aus dem Rahmen der "White City". Es war in keinem klassischen oder neugotischen Stil errichtet oder versuchte, einen Marmorbau zu imitieren. Die riesige Ausstellungsfläche wurde von flachen Wänden mit umlaufenden Bogenfenstern und polychromer Ornamentik umschlossen. Das erfolgreichste Element des Gebäudes aber war die "Goldene Tür" aus fünffach nach hinten gestaffelten, stark ornamentierten Halbkreisen, einem in der Architektur und Ornamentik Sullivans immer wiederkehrenden Motiv. Wegen der Reichheit seiner Dekoration wurde Sullivan sofort als großer Ornamentalist anerkannt, im gleichen Zug aber als Architekt verkannt. Sullivan sah bereits das Ende seiner Bestrebungen und die der Chicago School nach funktionellen Hochhäusern ohne tradierten historisierenden Bauschmuck voraus.

Tatsächlich aber wurde mit dieser Ausstellung deutlich, dass Sullivans Vorstellungen von Architektur keine Nachfolger oder Schüler gefunden hatte. Sein Einfluss war geschwunden, seine Unpopularität (in Nordamerika) als Architekt nahm hier ihren Anfang. Deutlich wird diese Tatsache auch an der Zahl der Aufträge, die in der Folgezeit an Sullivan vergeben wurden. Zwischen 1880 und 1885 entwarf er mehr als 100 Gebäude, die restlichen 30 Jahre seines Lebens nur noch 20. Sullivans Architekturauffassung musste dem eklektizistischen Architekturstil am Anfang des Jahrhunderts weichen, der 1922 im Wettbewerb um den Chicago Tribune Tower gipfelte, den Raymond Hood mit seinem gotisierenden Bau für sich entschied und damit genau den veränderten Zeitgeschmack traf (vgl. Rundgang).

1897 wurde die Hochbahn (The Elevated), die das Geschäftszentrum wie eine Schleife umschlingt, gebaut, weshalb dieser Teil der Stadt Loop genannt wird. Die meisten der berühmten Hochhäuser befinden sich in diesem Teil der Stadt.

Auch im 20. Jahrhundert leistete die Stadt einen großen Beitrag zur weiteren Architekturentwicklung. Zu nennen sind vor allem die Architekten Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe, Philip Johnson und Helmut Jahn.

Frank Lloyd Wright (1867-1959) ist wohl der berühmteste amerikanische Architekt. Bauten wie das Robie House und das ein halbes Jahrhundert später in New York entstandene Guggenheim Museum prägen das Bild dieses aus Wisconsin stammenden Architekten. Begonnen hatte er sein Werk 1887 als Zeichner im Architekturbüro von Adler & Sullivan. In Chicago war er vor allem im Vorort Oak Park tätig, wo er ab 1902 ein Wohnhaus mit eigenem Architekturstudio bewohnte. Es entstanden aber auch vereinzelte Bauten im Stadtgebiet, besonders Einfamilienhäuser. Eines davon baute er im Süden Chicagos im Jahr 1908: Das berühmte Frederick C. Robie House in der 5757 South Woodlawn Avenue, an dem die Hauptmerkmale der Prairie-School deutlich werden, in der der organische Bezug zur Landschaft eine wichtige Rolle spielt. Hier tritt der sogenannte "Windmühlengrundriss" auf, d.h. die Räume sind strahlenförmig um den Kamin herum angelegt und gehen ineinander über (= offener Grundriss). Von außen ist das Haus aus kubischen, horizontalen Formen zusammengesetzt. Typisch für Wrights Architektur sind auch das weit hervorkragende Dach und die horizontalen, farbig bleiverglasten Fensterbänder. Die Innenausstattung (Möbel, Geschirr, Lampen, Teppiche etc.) stammt ebenfalls von Wright. Er entwickelte, ähnlich wie sein Lehrer Sullivan, eine eigene Ornamentik und legte viel Wert auf die Auswahl und Kombination verschiedenster Materialien.
Allein 100 von über 300 ausgeführten Entwürfen Wrights sind in Chicago und seiner Umgebung zu finden. Die Prairie-School fand eine große Nachfolge.

Nur ein Jahr nach dem Robie House Wrights, 1909, entwarf Daniel Burnham (1846-1912), der bereits die Weltausstellung von 1893 geplant hatte
, den Chicago-Plan, der mit seinem Rastersystem großen Einfluss für den Großstadtbau in den USA haben sollte und Chicago zu einem "Paris am See" machen sollte. Er schuf die Voraussetzung für die Chicagoer Architektur des 20.Jahrhunderts und gilt als die erste Gesamtplanung einer amerikanischen Großstadt. Burnham entwickelte den Plan gemeinsam mit Edward H. Benett, dem Erbauer der Michigan Avenue Bridge, sowie zwei anderen Absolventen der Pariser Ecole des Beaux Arts, Jules Guérin und Fernand Janin. Hervorstechende Merkmale des Plans sind die Symmetrie und hierarchische Ordnung der Stadtanlage. Vorgesehen war eine Rasterbebauung mit gleicher Höhe der Gebäude, um ein einheitliches Stadtbild zu erzeugen. Die eklektischen, nach europäischen Vorbildern gestalteten Gebäude (Pantheon und Oper von Garnier in Paris, St. Peter in Rom) standen im Gegensatz zur Formensprache der Chicago School. Insgesamt bestand der Plan aus 164 Seiten mit 142 Tafeln, Karten, Photos, Zeichnungen und einem Lauftext. Verwirklicht vom Chicago-Plan wurden die Michigan Avenue als Prachtstraße, die Michigan Avenue Bridge, die zweigeschossige Uferstraße entlang des Chicago Rivers, zahlreiche Parks, bepflanzte Boulevards (Parkways) und der Grünstreifen entlang des Seeufers.

1919-33 war die Zeit der Prohibition. In brutalen Bandenkämpfen ging es um die Herstellung und den Verkauf von illegal hergestellten Alkohol. Bekannteste Figur war der Gangsterboss Al Capone. Bis heute hat Chicago das aus dieser Zeit stammende Klischee einer Verbrecher- und damit gefährlichen Stadt nicht abschütteln können. In den 20er Jahren boomte Chicago, so wurden beispielsweise auf dem Aktienmarkt hohe Gewinne erzielt. Die Hochhäuser schossen in die Höhe. Ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen trat auf: Je besser es der Wirtschaft ging, desto mehr wurde gebaut, auch in den folgenden Jahrzehnten.

1922 fand der Wettbewerb um den Chicago Tribune Tower statt (vgl. Rundgang), den Raymond Hood für sich entschied und der eine neue Architekturauffassung in die Stadt brachte.

Nach dem Ende der Chicago School traten in der amerikanischen Architektur zwei Phasen auf. Die sogenannte traditionelle Phase, die sich beispielsweise in Hoods bereits erwähnten Chicago Tribune Tower (vgl. Rundgang) manifestiert und bis etwa 1930 anhielt. Gefragt waren nun gotisierende und klassizistische Formen. Gebaut wurden aber auch Art-Déco-Wolkenkratzer wie das Carbide and Carbon Building (1929) und das Chicago Board of Trade Building (1930, vgl. Rundgang).

Die Weltwirtschaftskrise von 1930 stoppte ersteinmal den Bauboom in der Stadt. Darauffolgend gelang der europäische Einfluss durch "Bauhäusler" wie Mies van der Rohe, Walter Gropius und Adolf Meyer nach Chicago.


Trotz der Wirtschaftskrise fand 1933/34 die Weltausstellung "A century of progress" auf künstlichen Inseln und Kanälen am Seeufer der Southside statt. Thematisch ging es um den Fortschritt der Zivilisation während des 100-jährigen Bestehens der Stadt Chicago. 1937 gründete der ungarische Bauhaus-Künstler Laszlo Moholy-Nagy (1895-1946) das New Bauhaus (späteres Institute of Design), mit dem er versuchte, in den USA an das Bauhaus-Konzept anzuknüpfen.

Der aus Deutschland stammende Architekt Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) folgte 1938 einem Ruf als Direktor der Architektur-Abteilung an das Illinois Institute of Technology (IIT; früher Armour Institute of Technology). Mit ihm hielten die Bauhaus-Prinzipien und der International Style Einzug in Chicago. Mies van der Rohe war am IIT nicht nur als Lehrer, sondern auch als Architekt tätig. Es handelt sich um insgesamt 24 Hochschulbauten in der Near South Side, die rechtwinkelig zueinander stehen und ein einheitliches Modul (24 Fuß = 7,32 m) besitzen. Mies van der Rohe entwarf folgende Bauten: 1945 das Chemie-Institut und die Alumni Memorial Hall, ein Jahr zuvor die Bibliothek und das nicht realisierte Projekt der Administration sowie 1950/56 die Crown Hall. Um eine gewisse Einheitlichkeit der Gebäude zu erwirken, wurden alle in einer Stahlstruktur mit großen Fenstern erbaut. Es gibt ein- und mehrstöckige Bauten, die dem Grundsatz des Architekten nach "weniger ist mehr" folgen. Bahnbrechend für die Hochhausarchitektur waren die zwei 26-stöckigen, direkt am See gelegenen, rechtwinkelig zueinander stehenen Wohntürme 860-880 Lake Shore Drive Apartments, die Mies van der Rohe 1948-51 baute. Das Prinzip der Zwillingstürme in Stahlskelettbauweise machte darauf hin Schule, man vergleiche nur das World Trade Center in New York.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde in Chicago aufgrund von Baustoff- und Arbeitskräftemangel nur wenig gebaut.

In den 1950er und 1960er Jahren dieses Jahrhunderts verwirklichte man viele Projekte im sozialen Wohnungsbau, für die man alte, erhaltenswerte, zum Teil aber verslumte Bausubstanz, teilweise sogar ganze Stadtviertel niederriss und somit unbeabsichtigt Platz für Gewalt, Armut, Rassenhass und soziale Aggression schuf. Aneinandergereihte monotone, große und hohe Wohnblöcke bestimmen das Bild dieser Stadtviertel und passen sich ihrer Umgebung in keiner Weise an. Beispiele sind die State Way Gardens (1958/59) und die Robert Taylor Homes (1960/62) am Dan Ryan Expressway.


1974 wurde der Sears Tower fertiggestellt, das damals höchste Gebäude der Welt (bis 1996). Seit 1979 richtet man sich bei der Stadtplanung, vor allem in Downtown, nach dem Chicago 21 Plan. Vom gleichen Architektenteam wie der Sears Tower, nämlich von Skidmore, Owings and Merrill, stammt auch der andere bekannte Skyscraper der Stadt, der 1969 entstandene Hancock Tower.

Heute gehört der deutschstämmige Helmut Jahn (1940-) zu den gefragtesten Architekten der Welt. Er studierte 1966 am IIT und arbeitete später bei C. F. Murphy Associates, dessen Unternehmen Jahn inzwischen übernommen hat. In Chicago trifft man auf viele Bauten Jahns, spektakulär sind besonders das State of Illinois Building und das Northwestern Atrium Center, beide aus dem Jahr 1985. 1990 war der Sears Tower vor dem AMOCO Building und dem John Hancock Tower das höchste Gebäude Chicagos.


Interessante Links:

http://www.architecture.org/index.html

http://www.murphyjahn.com/intro.htm




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