Die Kunst des Biedermeiers als Wiege des modernen Designs
Von Claudia Simone Hoff
"Alle Schönheit wird geadelt durch Einheit und Einfachheit."
[Johann Joachim Winckelmann, 1764]
Im Untergeschoss des Pei-Anbaus des Deutschen Historischen Museums in Berlin hat die Ausstellung "Die Erfindung der Einfachheit - Biedermeier" eröffnet. Die Ausstellung ist in verschiedene Einheiten unterteilt, die die inhaltlichen Schwerpunkte der Ausstellung darstellen: "Prinzipien der klassischen Kunst", "Stil der Schlichtheit", Ideal der Natur" sowie "Geometrie und Abstraktion". Die insgesamt 450 Exponate stammen vorrangig aus den Residenzstädten europäischer Höfe des 19. Jahrhunderts, von wo aus der "Moderne Stil" seinen Anfang nahm: Berlin, Kopenhagen, München, Wien, Karlsruhe und Prag.
Die Ausstellung umfasst neben Möbeln, Gemälden und Kunstgewerbe (Porzellan, Silber, Glas etc.) auch Tapeten-Musterbücher, Interieur-Zeichnungen und technische Instrumente. Die Ausstellungsstücke bestechen oftmals durch ihre schlichten geometrischen Formen, klaren Farbgebungen und edlen Materialien wie Silber, Edelhölzer, Lack oder Porzellan, die der Rückzug ins Private mitsichbrachte. Zu dieser Zeit entstanden dann auch Porträts mit in sich gekehrten Personen, oft aus dem Fenster in die romantisierte Natur schauend, oder erhabene Naturdarstellungen von Bergen und Flüssen. Konrad Ferdinand Waldmüller ist mit mehreren überragenden Porträts in der Ausstellung vertreten. Interessant sind auch mehrere Objekte von Karl Friedrich Schinkel, so ein einfacher weiß lackierter Birken-Küchenstuhl aus dem Berliner Schloss Tegel von 1820 oder einige seiner Schmuckentwürfe aus Gusseisen.
An einigen Stühlen, Kanapees und Uhren wird deutlich, dass die Künstler der Zeit Anleihe an antiken Formen wie der Stele oder dem Klismosstuhl nahmen und weiterentwickelten. Die Ausstellung verdeutlicht das Miteinander verschiedener Kunstformen auf anschauliche Weise, so hat man beispielsweise ein ganzes Biedermeier-Zimmer rekonstruiert, so dass der Besucher das Zusammenspiel von Tapeten, Kristalllüstern und Möbeln betrachten kann und das Gesamtkonzpt des Biedermeier-Raums sichtbar wird.
Es ist schon erstaunlich, wie modern viele Gegenstände der Ausstellung auch heute noch wirken, 200 Jahre nach ihrer Entstehung. Im Gegensatz zu der bis dahin üblichen Kunst wird im Biedermeier die Schlichtheit zum Prinzip erhoben. Nicht nur die einfachen und edlen Materialien unterstützen diese Simplizität, auch die grundlegenden geometrischen Formen wie Kugel und Kubus. Dieser Eindruck wird durch den Einsatz von glatten Flächen (oftmals sehr beeindruckend in der Holzmaserung von Tischen und Kommoden zu beobachten) und Elementarfarben, die den Besucher oft in ihrer Modernität überraschen wie grell gelbe oder orange-farbende Sofas, verstärkt. Als um 1830 der frühe Historismus einsetzt, endet die Entwicklung der Ästhetik der Biedermeier-Kunst.
Die Ausstellung ist noch bis zum 2. September 2007 zu sehen. Es erscheint ein umfangreicher Katalog (440 Seiten) für 29 EUR.
Link zur Ausstellung:
http://www.dhm.de/ausstellungen/biedermeier/index.html
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