Über Architektur

Von Kurt Schwitters (1931)

Ich möchte durchaus nicht, daß etwa die Typographie oder die Architektur als Anwendung der abstrakten Kunst aufgefaßt würden, denn das sind sie nicht. Man kann nicht eine freie, zwecklose Gestaltung anwenden auf eine Zweckform. Typographie und Architektur sind Parallelerscheinungen mit der abstrakten Kunst. [...] Und der Zweck der Architektur ist, eine Wohnung oder einen anderen zweckbestimmten Raum herzustellen. Ich verkenne nicht die Notwendigkeit, das auch zum optischen Ausdruck zu bringen, was der Architekt konstruiert, aber das erstrebte Ziel ist und bleibt das Bauen von Raum. [...] Heute noch gibt es nicht viele Leute, die gern in jenen schmucklosen, von innen heraus gestalteten Häusern wohnen, man zieht allgemein die alten, überladenen, barocken Häuser vor, weil man auch etwas für die Schönheit tun möchte. Erst eine spätere Zeit wird erkennen können, daß gerade diese schmucklosen Häuser, wenn sie von einem begabten Architekten, etwa Haesler, gebaut sind, nicht nur allen Erfordernissen der Bequemlichkeit und der Gesundheitspflege entsprechen, nicht nur technisch die besten Lösungen sind, sondern auch optisch die schönsten Formen. [...]

Aus: Kurt Schwitters: Ich und meine Ziele. Erstes Veilchenheft Merz 21. 1931. Zitiert nach Friedhelm Lach (Hg.): Kurt Schwitters. Das literarische Werk. Bde 1 – 5. Köln 1974 - 1988, Bd. 5. Köln 1981, S. 340 ff.

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