Literaturtipp: Das Ende einer Hochzeitsnacht

Von Claudia Simone Hoff



[Foto: Diogenes/Amazon]

Dieses Buch erschüttert. Es erschüttert deshalb, weil eine einzige Nacht, in der nicht das passiert, was passieren sollte, alles zerstört. Und eigentlich nur, weil die Protagonisten dem anderen nicht das sagen können, was sie ihm eigentlich sagen möchten. Sie sind gefangen in ihren eigenen Gefühlswelten und den gesellschaftlichen Konventionen. Das Nichtstun führt geradewegs in eine Katastrophe, die es so nicht hätte geben müssen.

Der Roman spielt im puristischen England des Jahres 1962. In fünf Kapiteln schildert McEwan die Hochzeitsnacht und darin eingewoben die Geschichte des Historikers Edward und der Violinistin Florence. Beide kommen aus sehr unterschiedlichen sozialen Milieus. Während Edward in bescheidenen Verhältnissen aufwächst und sich in der Familie alles um die geisteskranke Mutter, um derenwillen das Bild einer heilen Familie aufrechterhalten wird, dreht, wächst Florence in begüterten Verhältnissen auf. Als Tochter eines Industriellen und einer intellektuellen, aber emotional distanzierten Mutter besinnt sie sich ganz auf die klassische Musik und ihre Ausbildung zur Geigerin. Edward hingegen liebt Jazz- und Rockmusik. Trotz aller Unterschiede scheinen sich die beiden aufrecht zu lieben.

McEwan beschreibt in diesem kurzen Roman dicht und atmosphärisch die äußeren Umstände der beiden Protagonisten, aber immer wieder auch ihre inneren Zustände. Es geht um Ängste, Wünsche, Unausgesprochenes. Darum, wie sich zwei Menschen, die sich eigentlich nah sind, doch auch immer fremd bleiben. Von dieser Spannung lebt das Buch. Aber auch davon, dass der Leser weiß, was Edward und Florence denken, die beiden sich jedoch nicht getrauen, ihre Gefühle gegenseitig einzugestehen. Durch dieses Nichteingestehen nehmen die Gespräche der beiden eine ganz eigene Dynamik an, eine, die unweigerlich in die persönliche Katastrophe führt. Durch eine Hochzeitsnacht, zu deren Vollzug es nicht kommt, scheitert eine ganze Beziehung, es kommt kurze Zeit später zur Scheidung. Und auch Edward weiß zum Ende des Romans, inzwischen 60jährig, dass es ein Fehler war, seine große Liebe Florence aufzugeben. Dass ein paar unausgesprochene Worte alles, sein ganzes Leben, geändert hätten.

Bis zum Ende des Romans bleiben Verwirrung, Rätsel, Irritation, aber auch Spannung.

Ian McEwan: Am Strand. Diogenes 2007. 208 S., 18,90 EUR.

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