Nicht der

Der Zug rattert dahin. Über Städte, dann entlang des Flusses. Märchenland wie im Bilderbuch. Mit hohen steilen Klippen, die heraufzuklettern locken. Nichts, woran man sich festhalten könnte. Absturz möglich. Wie im Leben. Verworrene Gedanken und Gefühle rauschen durch meinen Kopf – Ablenkung durch Töne und Worte. Wahre Ablenkung nicht, eher Zerstreuung. Gefühle – Spannung, Neugier, Angst. Ort der Fremde – was erwartet mich? Oder anders – wer erwartet mich? Plötzlich kann aus dem Erträumten Wahrheit werden. Oder besser: Realität. Illusionen sind dann keine mehr. Fremde Welten verschwinden neben dem Zugfenster. Werden innerhalb von Sekunden wie nie gewesen. Ich schaue hinaus. Erdenke mir eine Wahrheit. Auf der anderen Seite der Scheibe: Kinder spielend vor sozialistischen Plattenbauten. Davor von der Müllabfuhr vergessener Unrat. Illusionslos. Ich fahre woanders hin. Registriere die äußere Realität mit offenen Augen. Schließe ich sie, komme ich anderswo an. Ankommen, irgendwo. Der Zug hält. Ausstieg. Alles sieht ganz anders aus als von mir erdacht. Straßen mit anderen Namen. Stadtplan ohne Sinn. Unmöglichkeit der Verständigung. Keine Sprache haben. Und dazu Angst vor Nicht-Erfüllung des Erdachten. Hinein in die Stadt. Tief nach unten. Geschwindigkeitsrausch. Fremde Gesichter und Biographien betrachtend. Fühle mich fremd. In dieser Stadt und in mir selbst. Hoch nach oben. Geschwindigkeitsrausch, dieses Mal in die umgekehrte Richtung. Schnell muss man sein, sonst kommt das Leben nicht mehr nach. Und man verliert sich in der Langsamkeit. Draußen der Versuch einer Orientierung. Ich komme an. Denke ich. Eine Fensterfront, in der sich der Fluss der Stadt spiegelt. Durch das Wasser hindurch sehe ich Menschen. Und finde nicht den, den ich suche.

[Text: C. Hoff]