Ausstellungstipp: László Moholy-Nagy – Kunst des Lichts
[Fotos: © VG Bild-Kunst, Bonn 2010]
Bis zum 16. Januar 2011 im Martin-Gropius-Bau in Berlin.
Moholy-Nagy, gleichermaßen Theoretiker wie Praktiker, wollte immer ein ganzheitlicher Künstler sein. Er ging sein Schaffen – Malerei, Fotografie, Werbung und Industriedesign, Film, Bildhauerei, Bühnengestaltung – von den verschiedensten Seiten aus an und praktizierte es als radikales, extremes Experiment, indem seinen höchst unterschiedlichen Werken keinerlei ästhetische Hierarchie zubilligte. Er räumte außerdem der Bildung grundsätzliche Bedeutung ein, weshalb er, auf Bitten von Walter Gropius, in diesem Bereich für das Bauhaus in Weimar (1923–1925) und in Dessau (1925–1928) arbeitete. In Chicago, wo er sich 1937 niederließ, übernahm er erneut Lehrverpflichtungen. Er gründete das ‚New Bauhaus‘, das die Programme des deutschen Bauhauses in den USA zu verwirklichen versuchte. Kurze Zeit danach gründete er das Institute of Design in Chicago, wo er bis zu seinem Tode 1946 tätig war. Das Institut wurde später in das Illinois Institute of Technology übernommen. Dort kann man noch heute studieren.
Von Weimar bis hin nach Chicago bewahrte sich Moholy-Nagy den Glauben an sein pädagogisches Ideal, das für ihn nicht nur Lehre bedeutete, sondern die moralische Erziehung von Menschen. Er glaubte an die Erziehung als Mittel zur Entwicklung aller in den Studenten schlummernden Fähigkeiten und als Mittel, dem „neuen, totalen Menschen“ den Weg zu ebnen.
Alle theoretischen Beiträge Moholy-Nagys entstanden in Zusammenhang mit seinem künstlerischen und pädagogischen Schaffen. In seinen zahlreichen Texten legt er Schritt für Schritt seine Ideen dar und entwickelt damit eine vollständige künstlerische und pädagogische Ästhetik. Sein Essay „Malerei, Fotografie, Film“ von 1925 wird ein Meilenstein. Darin entwickelt er eine ästhetische Theorie des Lichts – Licht als Matrix der Kunst und Kunst als Lichtkunst. Er wendet seine ästhetische Lichttheorie auf Malerei, Fotografie und Film an, aber auch auf Bühnengestaltung und Design.
Von da an wird Licht zum Fundament für Moholy-Nagys praktisches und theoretisches Wirken. Für ihn erhält jede Kunst nur dann Sinn und Bedeutung, wenn sie Licht reflektiert. Auch die Malerei wird mit diesem Kriterium neu interpretiert. Seine Entwicklung als Maler bezeichnet Moholy-Nagy als Verlagerung vom „Malen von Transparenz“ zu einem Malen, das frei ist von jeglichem darstellerischen Zwang und die Fähigkeit eröffnet, „nicht mit Farben, sondern mit Licht“ zu malen. Diese Theorie entfaltet ihre maximale Bedeutung in der Fotografie und im Film. Die Etymologie des Wortes „Fotografie“ bedeutet „Schreiben mit Licht“. Beim Film besteht die künstlerische Essenz in der Darstellung von „Bewegungsverhältnissen bei Lichtprojektionen“. Zwar war er nicht für die Fotografieklassen am Bauhaus verantwortlich, aber hier schrieb er „Malerei, Fotografie, Film“ und setzte seine fotografischen Erfahrungen um. Er erfindet das „Fotogramm“, eine reine Lichtgrafik, und demonstriert die Fähigkeit zur Herstellung von Fotografien zeitgleich mit der Erfindung des „Rayogramms“ durch Man Ray in Paris. Er sieht die Fotografie als völlig autonomes Mittel, dessen Potenzial erst noch zu entdecken ist. Er kritisiert die „Bildhaftigkeit“ und propagiert innovative, kreative und produktive Fotografie. Er betrachtet die Serialität als eines der wesentlichen Merkmale fotografischer Praxis und wendet sich gegen die „Aura“ des einmaligen Werkes im Gegensatz zur ad-infinitum-Vielfalt des fotografischen Klischees, womit er Walter Benjamins These vorwegnimmt.
Die Unterscheidung zwischen Produktion und Reproduktion ist ein Grundthema seines Schaffens. Ein Hauptaspekt jeden Werkes ist seine Fähigkeit zur Integration des Unbekannten. Werke, die nur bekannte Beziehungen wiederholen oder reproduzieren, werden als „reproduktiv“, Werke hingegen, die neue Beziehungen schaffen oder produzieren, als „produktiv“ bezeichnet. Die Fähigkeit eines Kunstwerks zur Schaffung von etwas Neuem (ein Grundelement der Moderne) ist für Moholy-Nagy ein zentrales Kriterium. Er postuliert für die Malerei, die Fotografie und den Film einen moralischen und ästhetischen Imperativ – das Neue. Die Kunst muss sich neuen Zeiten und einer industriellen Zivilisation stellen. In der konsequenten Umsetzung dieser These wird 1926 zum Jahr, in dem seine Bildproduktion umfangreicher ist als seine Arbeiten in anderen Bereichen, aber 1927 kommt es zu einer wahren Flut fotografischer, szenographischer, kinetischer und filmischer Produktionen. Die Malerei gibt er nie auf. Er beschließt, die aus der Vergangenheit überkommene gegenständliche Malerei fallenzulassen und sich stattdessen der nichtgegenständlichen oder „reinen“ Malerei zu widmen. Mit dem Entstehen der Fotografie hat die Malerei einen perfekten Anlass gefunden, sich von allen figurativen oder repräsentativen Imperativen zu befreien. Künstler müssen sich nicht für das eine oder das andere Medium entscheiden, sondern sollen nur, unter Nutzung aller Medien, eine optische Kreation einfangen und beherrschen. [Text: Museum]
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