Rot sehen


Neulich habe ich mit eingeschaltetem Licht geschlafen. Unfreiwillig. Dabei habe ich gar keine Angst vor der Dunkelheit – ich war lediglich zu Besuch in Istanbul und zwar in einem Designhotel. Nun könnte man meinen, dass eine ziemlich teure Unterkunft nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch funktional gestaltet ist. Weit gefehlt. Bereits im Eingangsbereich war es so dunkel, dass die Treppenstufen zur Stolperfalle wurden – auch ohne halsbrecherische Highheels an den Füßen. Hatte man den Fahrstuhl unbeschadet erreicht, folgte der visuelle Tiefschlag: die Verzierung mit geschliffenen Kristallen, die sich im Spiegel multiplizierten. Offensichtlich hatte sich der Designer seinen Traum vom Orient erfüllt. Auch das Zimmer entlockte mir keinen Freudenschrei.

Nicht nur, dass es statt eines Badezimmers drei klaustrophobische Einschübe mit Toilette, Dusche und Waschbecken gab – das Licht entpuppte sich als nicht zu lösendes Rätsel aus Tausendundeiner Nacht. Ich fand zwar keinen Schalter, mit dem ich den gesamten Raum beleuchten konnte, dafür aber ein multifunktionales Bedienelement. Damit tauchte ich das Bett in schummrige Lichtkegel. Je nach Stimmung war jetzt alles möglich. Nun sah ich rot. Denn meinen Krimi konnte ich vergessen, so düster war es. Richtig kriminell aber wurde es erst, als ich versuchte, das Licht über dem Waschbecken auszuschalten – vergeblich. Zugegeben, ich bin technisch nicht besonders versiert.

Doch da bin ich nicht die einzige, wie ich am Frühstückstisch erfuhr. Nur ein Gast hatte herausgefunden, wie das Licht zu löschen war: die unpraktische Faltwand vor dem Waschbecken bis zum Anschlag schließen. Eigentlich ganz logisch, oder? Am Ende habe ich übrigens das Hotel gewechselt. Das hatte zwar weniger Sterne und war auch nicht wirklich schön, doch beim Eintreten seufzte ich erleichtert: Der Lichtschalter war dort, wo er hingehörte. Einmal draufgedrückt und alles war erleuchtet!

Claudia Simone Hoff