Parcours der Abscheulichkeiten [Abriss-Atlas Berlin]
[Fotos: C. Hoff]
Beinahe tränen einem die Augen ob so vieler architektonischer Abscheulichkeiten. Egal ob Neues Kranzler Eck, Hotel Motel One, Alexa, Leipziger Platz oder Aufbau-Haus. Berlin ist nicht immer eine Reise wert. Oder gerade doch? Der eben erschienene Abriss-Atlass Berlin jedenfalls ließe sich gut zum Stadtführer der etwas anderen Art umfunktionieren, auch weil er so schön handlich ist. Dass Hässlichkeit viel interessanter ist als das ewig Schöne, das zeigen auch die Texte im Buch. Sie reiben sich am gebauten Mittelmaß und "geben ihre Favoriten zum Abriss frei" wie es so schön heißt im Prolog. Deshalb wird die Galerie am Alexanderplatz mal schnell zum "Kaufhaus des Führers" gemacht, der Diplomatenpark mutiert zum "Playmobil für Neureiche" und der Spreebogen ist leider nur ein "Ungers für Arme". Doch dass selbst Siegessäule, Brandenburger Tor und Berliner Dom von den Autoren zum Abriss vorgeschlagen werden, da dürfte manch einem Berliner oder Berlin-Zugereisten dann doch das Herz bluten. Und Berlin wäre nicht Berlin, wenn es nicht hässlich wäre. Oder?
So ungewöhnlich das Sujet, so klassisch die Gestaltung des dunkelblau in Leinen gebundenen Buchs, das mit einer in Gold geprägten, schwingenden Abrisskugel auf sich aufmerksam macht. Innen links ein Foto der meist sachlichen Art, rechts ein kurzer Text, je nach Autor mehr oder weniger pointiert. Apropos Autoren. Versammelt zur Abrissprobe haben sich unter anderen illustre Köpfe wie Niklas Maak und Friedrich von Borries. Die finden übrigens, dass dieses Buch auf den Tisch und nicht ins Regal gehört. Also einpacken und los geht es auf den Parcours der architektonischen Berliner Abscheulichkeiten! csh
Abriss-Atlas Berlin
Hrsg. von Stefan Becker, Stephan Burkoff & Jeanette Kunsmann
Hardcover/ Blauer Leineneinband/ Prägung in Gold
Format 135 x 200 mm/ 128 Seiten/ 50 farbige Abbildungen
ISBN 978-3-9817010-0-5